Seidner unter Zeidner

Als „Voltaire von Stolzenburg“ ist Walther Gottfried Seidner längst über die Grenzen Siebenbürgens als Dichter, Humorist, Schriftsteller und Verfasser von Mundartstücken bekannt. Am Mittwoch Abend des 11. April folgte er der Einladung des Demokratischen Forums der Deutschen in Zeiden, einen  Literaturabend im evangelischen Pfarrhaus, zu gestalten. Zunächst stellte er sich dem Publikum vor, als ein Erzähler, der es versteht durch seine akrobatische Redekunst, die Aufmerksamkeit des Zuhörers an sich zu fesseln. Aus seinen subtilen Alltagsbemerkungen sickerte durch, nicht nur, dass er Pfarrer im Ruhestand ist, sondern, dass er wie eh und je , mit  seinem nüchternem Humor überwindend, dem abwechslungsreichen Schicksal Paroli bietet. Davon konnte ihn am Zeidner Literaturabend nichts aufhalten: nicht mal die eine Stunde Eisenbahnverspätung oder die unbarmherzige Grippe, welche er mit peitschenden Hustanfällen transparent präsentierte. Die Spannung seiner nicht aus der Ruhe bringenden Darbietung wuchs somit ins Unermessliche. Der  Autor zog alle Register der Meisterschaft seiner Gratwanderung, zwischen aussagekräftiger Rhetorik und authentischer Produktion.

In seiner Kurzgeschichte „Tante Seku und die Hirschkäfer“ aus welcher er Auschnitte vorlas, lautete die Vorbemerkung : „zwischen Pfarradies und Pfarranoia“.  Damit offenbarte der Autor im ersten Lesezug, seine besondere Spezialität in Sachen  Buchstaben- oder Wortverdrehung ohne sich in verwirrende  Sinnkombinationen zu verstricken.  Souverän thront  zwischen seinen Zeilen eine erhabene Schmunzelprovokation. Nicht umsonst bezeichnete er sich  noch während der kommunistischen Diktatur statt Dissident als „Witzident“.  Was muss er denn wohl als raffinierter  Lebenskünstler durch seine gewagten Katz und Maus Slalomläufe  zwischen den „Seku“-Agenten, für eine verwirrende  Aktenkarambolage verursacht haben. Nie wurde er seiner Schreibfreiheit beraubt. Im Gegenteil: ausgestattet mit feiner Beobachtungsgabe hat Seidner stets neue Maßstäbe unbekümmerter Schreib-Inspiration gesetzt.  

Mit empfindsamer Besonnenheit und feinfühligem Sprachgenuss las Seidner zur Abwechslung, aus seiner Übersetzung des 139. Psalmtextes in sächsischer Mundart vor. Wer hätte gedacht , dass ein biblischer Text im Dialekt gelesen ,soviel Aufmerksamkeit und Stille erzeugt, als würde ein Cellospieler mit einem lyrischen „Amoroso“ das Publikum verzaubern.

Und dann plötzlicher Szenenwechsel. Aus seinem Gedicht „Generationskonflikt“ ließ der Autor die lustigen Reime wie aus einem frischen Bächlein  plätschern.  Sogar das lästige dämonische Grippen-Husten setze auffallend aus, so nach dem Motto: „ Ist das Thema Jugend – frei , ist das Husten erst vorbei…“   Beendet wurde der denk- und schmunzelwürdige Leseabend mit dem Gedicht: „Wenn die Tiere schlafen“, welches vor einem Jahr von der weltweit bekannten Brentano-Gesellschaft Frankfurt in die Lyrikanthologie der „Frankfurter Bibliothek des zeitgenössischen Gedichts“ aufgenommen wurde.  So ist es wenn Seidner unter Zeidner vorliest: als Pfarrer  ein Christ und als Autor ein Chronist. 

Klaus – Dieter Untch